3. Freies Schreiben

Schreiben, schreiben, schreiben – egal was. Schreiben Sie wild drauf los, ohne Regeln, ohne Rechtschreibung, ohne Absichten und vor allem ohne das Ganze zu beurteilen. Das Freie Schreiben oder „automatische Schreiben“ zielt darauf Bilder, Gefühle, Ausdrücke unreflektiert wiederzugeben. Schreiben Sie einfach alles auf, was Ihnen wie von selbst in den Stift oder in die Tasten fließt. Sätze, Satzfetzen, Wörter, Wortketten . Ziel ist es, in Fluss zu kommen und Ängste und Hemmungen zu überschreiben, die eigene Kreativität zu entfalten.

Die Dadaisten und Surrealisten erklärten das automatische Schreiben (écriture automatique) Anfang des 20. Jahrhunderts zur Kunstform. Das von der Vernunft unzensierte Denken sollte schreibend zum Ausdruck gebracht werden. André Breton gibt in seinem Ersten Surrealistischen Manifest von 1924 einen Einblick, wie diese Technik funktioniert:

„Lassen Sie sich etwas zum Schreiben bringen, nachdem Sie es sich irgendwo bequem gemacht haben, wo Sie Ihren Geist soweit wie möglich auf sich selbst konzentrieren können. Versetzen Sie sich in den passivsten oder den rezeptivsten Zustand, dessen Sie fähig sind. Sehen Sie ganz ab von Ihrer Genialität, von Ihren Talenten und denen aller anderen. Machen Sie sich klar, daß die Schriftstellerei einer der kläglichsten Wege ist, die zu allem und jedem führen. Schreiben Sie schnell, ohne vorgefaßtes Thema, schnell genug, um nichts zu behalten, oder um nicht versucht zu sein, zu überlegen. Der erste Satz wird ganz von allein kommen, denn es stimmt wirklich, daß in jedem Augenblick in unserem Bewußtsein ein unbekannter Satz existiert, der nur darauf wartet, ausgesprochen zu werden. (…) Fahren Sie so lange fort, wie Sie Lust haben. Verlassen Sie sich auf die Unerschöpflichkeit des Raunens. Wenn ein Verstummen sich einzustellen droht, weil Sie auch nur den kleinsten Fehler gemacht haben: einen Fehler, könnte man sagen, der darin besteht, daß Sie es an Unaufmerksamkeit haben fehlen lassen — brechen Sie ohne Zögern bei einer zu einleuchtenden Zeile ab. Setzen Sie hinter das Wort, das Ihnen suspekt erscheint, irgendeinen Buchstaben, den Buchstaben l zum Beispiel, immer den Buchstaben l, und stellen Sie die Willkür dadurch wieder her, daß Sie diesen Buchstaben zum Anfangsbuchstaben des folgenden Wortes bestimmen.“ (1)

Der beste Zeitpunkt für das automatische Schreiben ist der frühe Morgen, direkt nach dem Aufwachen, wenn das Bewusstsein sich an der Schwelle vom Traum zum Wachzustand befindet. Julia Cameron empfiehlt in ihrem Buch „Der Weg des Künstlers“, sich das Schreiben von „Morgenseiten“ zur guten Gewohnheit zu machen. Bringen Sie direkt nach dem Aufwachen ohne Kontrolle der Vernunft regelmäßig 3 Morgenseiten zu Papier.

„Diese täglichen Morgenspaziergänge (die Morgenseiten, d. V.) sind nicht als Kunst gedacht. Nicht einmal als Geschriebenes. . Diese Seiten sind lediglich als Akt gedacht, Ihre Hand über die Seite zu bewegen und niederzuschreiben, was immer Ihnen in den Sinn kommt. Nichts ist zu unbedeutend, zu albern, zu dumm oder zu skurril.“ (2) Die Autorin empfiehlt das Verfassen von Morgenseiten als eine der wichtigsten Techniken zur Freisetzung künstlerischer Kreativität.

(1) André Breton: Manifest des Surrealismus (1924), in: Der Surrealismus, übersetzt von Ruth Henry, Hg. Patrick Waldberg, Dumont, Köln 1965
(2) Julia Cameron: Der Weg des Künstlers, Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München 2000, S. 34

 

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