Erziehungsstile

In der Erziehung spricht man von verschiedenen Erziehungsstilen, die sich nach ihren Methoden, Grundsätzen und ihrem theoretischen Hintergrund unterscheiden. Nach Kurt Lewin unterscheidet man drei Hauptstile „autoritär“, „laissez-faire“ und „demokratisch“, die nach dem Soziologen und Psychologen Glen Elder innerhalb dieser Kategorien um vier erweitert werden.

Dabei handelt es sich um „Spielarten“ der drei Hauptstile.

Beachten Sie bitte, dass diese Stile so gut wie nie in Reinkultur in der Erziehungspraxis vorkommen. Eltern und Erzieher verhalten sich manchmal zu nachsichtig und manchmal zu autoritär. Ein Erziehungsverhalten, dass aber grundsätzlich von Liebe, Akzeptanz und Wertschätzung des Kindes als Person geprägt ist, verträgt auch den ein oder anderen Fehler.

I. Der autoritäre Erziehungsstil: „Du machst was ich will!“

Bis in die 60er Jahre hinein waren Gehorsam, Disziplin, Fleiß und Pünktlichkeit wichtige Erziehungsziele. Eltern und Erzieher beanspruchten uneingeschränkte Autorität.

„Wenn Erwachsene reden, haben Kinder den Mund zu halten.“ Beim autoritären Erziehungsstil erhalten Kinder viele Anweisungen und Befehle, denen sie sich widerspruchslos zu fügen haben. Die Erwachsenen verhalten sich aktiv, stark lenkend und kontrollierend. Bevorzugte Erziehungsmaßnahmen sind Lob, Tadel und Strafe. Unerwünschte Verhaltensweisen werden bestraft – auch durch körperliche Züchtigung. Das Hervorbringen erwünschter Verhaltensweisen beim Kind wird höher geschätzt als das einsichtige Handeln. Selbstverständlich ist für die Vertreter des autoritären Erziehungsstils, dass die kindlichen Wünsche und Bedürfnisse den Wünschen und Bedürfnissen Erwachsener untergeordnet sind. Der autoritäre Erziehungsstil wird in seiner extremen Form auch als autokratischer in seiner gemäßigten Form auch als autoritativer Stil bezeichnet.

Merkmale des extrem autoritären Erziehungsstils sind:

  • Hohe Kontrolle bei wenig Akzeptanz
  • Zurückweisung, wenig Zugewandtheit
  • Stark dirigistisch – starke Lenkung der kindlichen Aktivitäten durch die Erzieher
  • Viele Anweisungen und Befehle – wenig Erklärungen
  • Arbeitet stark mit Lob und Tadel
  • Straft Fehlverhalten – auch mit körperlicher Gewalt
  • Zielt auf erwünschtes Verhalten des Kindes  statt auf einsichtiges Handeln

Auswirkungen des überwiegend autoritären Erziehungsstils:
Zahlreiche Studien belegen, dass überwiegend autoritär erzogene Kinder:

  • eher zu Aggressionen neigen
  • ein eher geringeres Selbstwertgefühl haben
  • eine eher geringere soziale Kompetenz erwerben

Vom autoritären Stil unterscheidet man den „autoritativen“ Stil.
Hier wird zwar ebenfalls starke Lenkung und Kontrolle ausgeübt, allerdings bei hoher Akzeptanz des Kindes. Eltern und Erzieher haben hohe Erwartungen an das Kind. Sie setzen klare Regeln, auf deren Einhaltung strikt geachtet wird. Im Unterschied zum autoritären Stil herrscht hier aber eine offene Kommunikation. Der kindliche Standpunkt wird geachtet, wenn auch das letzte Wort beim Erzieher liegt. Im Unterschied zum autoritären Stil gilt dieser autoritative Stil als durchaus förderlich für die kindliche Entwicklung: Die Kinder genießen ein relativ hohes Maß an Sicherheit, besitzen eine eher hohe soziale und intellektuelle Kompetenz und ein hohes Maß an Eigenkontrolle.

II. Antiautoritärer Erziehungsstil: „Mach was du willst!“

Der antiautoritäre Erziehungsstil ist die extreme Gegenposition zur autoritären Erziehung. Jegliche Ausübung von Macht ist verpönt, das Kind genießt absolute Freiheit, weitgehend ohne Lenkung und Kontrolle.

Beide Extrempositionen „autoritär“ und „antiautoritär“ haben sich als nicht förderlich für die kindliche Entwicklung herausgestellt. Sie werden auch in ihrer reinen Form selten praktiziert.  Spielarten des antiautoritären Erziehungsstils sind der „permissive Stil“ (erlaubend) und der Laissez-Faire-Stil (nachsichtig). Am unteren Ende der Skala stehen zusätzlich der vernachlässigende und der negierende Stil. Letztere könnte man kennzeichnen mit den Worten „Mir egal, was du machst“, wobei beim negierenden Stil noch der Zusatz folgt „Hauptsache, du machst mir keinen Stress!“ Beim negierenden und vernachlässigenden Erziehungsstil bleibt das Kind fast völlig sich selbst überlassen.

Merkmale des antiautoritären Laissez-Faire-Stils:

  • Hohe Akzeptanz des Kindes
  • Emotionale Zugewandtheit
  • Toleranz
  • Kaum Kontrolle
  • Keine Lenkung, keine Grenzsetzung

Auswirkungen des überwiegend antiautoritären Erziehungsstils:

  • Die Kinder weisen eher aggressives Verhalten auf
  • Die Kinder besitzen eine geringe Impulskontrolle
  • Die Kinder verfügen eher über einen Mangel an Selbstverantwortungsbewusstsein

Merkmale und Auswirkungen des vernachlässigenden Erziehungsstils:
Im Vergleich zum permissiven oder Laissez-Faire-Stil ist beim vernachlässigenden und negierenden Stil mit den schlimmsten Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung zu rechnen. Statt Akzeptanz findet sich hier ein zurückweisendes, stark distanziertes Verhalten der Eltern und Erzieher, ein sehr geringes Ausmaß an Verpflichtungsgefühlen und weder die Bereitschaft noch das Interesse, Zeit und Arbeit in die Kinder zu investieren. Störungen im Bindungsverhalten der Kinder, Defizite in ihrem Selbstwertgefühl und in der intellektuellen Entwicklung sowie mangelnde Selbst- und Aggressionskontrolle sind die Folgen.

III. Demokratischer Erziehungsstil: „Wir entscheiden gemeinsam, was gemacht wird!“

Den demokratischen oder liberalen Erziehungsstil zeichnet das Miteinander von Eltern bzw. Erziehern und Kindern aus. Die Erwachsenen akzeptieren die Bedürfnisse und Wünsche des Kindes, was nicht gleichbedeutend damit ist,  dass alle kindlichen Wünsche erfüllt werden.

Wichtige Entscheidungen werden gemeinsam besprochen, Alternativen werden aufgezeigt, Eigenaktivität, Selbstständigkeit und Verantwortungsbewusstsein gezielt gefördert Ein ausgewogenes Verhältnis von Freiheit und Autorität ermöglicht Lenkung im Sinne von vernünftiger Orientierung. Wärme, hohe Akzeptanz und Einfühlungsvermögen fördern eine vertrauensvolle Beziehung. Der demokratische Erziehungsstil zielt auf einsichtiges Handeln und gegenseitige Wertschätzung.

Merkmale des demokratischen Erziehungsstils:

  • Hohe Akzeptanz des Kindes
  • Emotionale Zugewandtheit
  • Toleranz
  • Ermutigung
  • Wertschätzung des Kindes als Person
  • Erklärungen statt Anweisungen und Befehle
  • Setzt Grenzen im Sinne von „Freiheit ist immer auch die Freiheit der anderen“
  • Zielt auf Verständnis und Einsicht

Auswirkungen des überwiegend demokratischen (liberalen) Erziehungsstils:

  • Die Kinder weisen Selbstvertrauen, Selbstsicherheit und emotionale Stabilität auf
  • Die Kinder zeigen eine eher hohe Leistungs- und Lernbereitschaft
  • Die Kinder entwickeln soziale Kompetenzen
  • Die Kinder entwickeln Kritikfähigkeit und Kompromissbereitschaft

Von allen Erziehungsstilen hat sich der überwiegend demokratische/liberale Stil als der förderlichste für die kindliche Entwicklung herausgestellt. Weniger förderlich sind der autoritäre und der antiautoritäre Stil. Das belegt auch die Shell Jugendstudie 2006:

„Autokratische und wenig beteiligungsorientierte Erziehungsstile, die häufig mit Schlägen und Gewalt in der Familie verbunden sind, finden sich genauso wie ein ungeregelter Medienkonsum signifikant häufiger bei den Jugendlichen, die berichteten, in gewaltsame Auseinandersetzungen verwickelt gewesen zu sein.“ (1)

Da kaum ein Erziehungsstil in Reinform vorkommt, seien hier noch Verhaltensweisen genannt, die – unabhängig von den konkreten Erziehungsstilen – als nicht förderlich für die kindliche Entwicklung gelten:

Nicht förderlich für die Entwicklung des Kindes sind:

  • Inkonsequenz und Uneinigkeit der Eltern/Erzieher
  • Keine, mangelnde oder unklare Grenzsetzung durch Eltern/Erzieher
  • Vernachlässigung, Zurückweisung und Desinteresse
  • Überfürsorge oder Verwöhnung
  • Über- und Unterforderung
  • Verplanung des Kinderalltags durch ein raumgreifendes Bildungsprogramm

(1) 15. Shell Jugendstudie 2006, www.shell.com/home/content/de-de/society_environment/jugendstudie/2006/dir_jugendstudie.html

 

Kindererziehung

Nie zuvor war die Verunsicherung über Erziehung größer als heute. Gerade weil wir alles richtig machen wollen, sind wir orientierungsloser denn je.

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