Glaubt man den neuesten Zahlen, so ist es um die Ernährungslage der Nation nicht gerade gut bestellt: Deutschland ist zu dick. Wir essen zuviel. Wir essen das Falsche. Wir wissen nicht mehr wie man eine Mahlzeit kocht. Dies kennzeichnet zwar eine Art Ernährungsnotstand mit schwerwiegenden Folgen für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Noch aber ist es kein Grund zur Panik.
Die meisten Menschen wollen sich nämlich gut und richtig ernähren — sie wissen nur nicht wie. Hier ist unaufgeregte Aufklärung und fundiertes Wissen über Ernährung gefragt. Wie nehme ich gesund ab? Was hat meine Ernährung mit Anti-Aging zu tun? Was braucht mein Kind? Was kann man überhaupt noch guten Gewissens essen? Auf diese und viele andere elementare Fragen erwarten Ratsuchende zu Recht Antworten. Ein weites Feld für zukünftige Ernährungsberater/innen.
Hier erfahren Sie alles Wissenswerte über diesen spannenden Zukunftsberuf und vieles, was Sie schon immer über Ernährung wissen wollten.
1. Adipositas — die Volkskrankheit der Zukunft?
Die Krankenkassen ächzen und stöhnen bereits unter dem Gewicht der Bürger. Adipositas — Fettleibigkeit — droht zur neuen Volkskrankheit zu werden. Die durch Fettleibigkeit verursachten Krankheitskosten werden schon heute auf jährlich 5 Milliarden Euro geschätzt – Tendenz zunehmend. Jeder zweite Deutsche ist übergewichtig, jeder fünfte adipös.
So jedenfalls lauten die Zahlen, die die Deutsche Adipositas-Gesellschaft e.V. in ihrem „Nationalen Aktionsplan gegen das Übergewicht“ im März 2007 dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vorgelegt hat.
Die Zahlen und möglichen Folgen sind alarmierend. Krankheiten wie Diabetes mellitus Typ II, Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck und andere durch Fehlernährung mitbedingte Krankheiten kommen bei stark übergewichtigen und fettleibigen Menschen häufiger vor als bei Normalgewichtigen. Man rechnet mit einer Verdoppelung der Diabetes-mellitus-Patienten innerhalb der nächsten 5-10 Jahre.
Besonders bei Kindern nimmt die Tendenz zur Fettleibigkeit unverhältnismäßig stark zu. Die Zahl der übergewichtigen Kinder hat sich in den letzten 10-15 Jahren verdoppelt. 9% der Kinder zwischen 3 und 17 Jahren sind übergewichtig, mehr als 6% sind bereits adipös. Und: Kinder werden immer früher immer dicker. Eine Untersuchung aus Hamburg kommt zu dem Ergebnis, dass bereits 6% der Vorschulkinder übergewichtig seien.
Nicht nur Volksgesundheit und Volkswirtschaft insgesamt leiden unter dem Gewicht dieser Zahlen. Hinter jedem (zu) dicken Kind steht ein sehr persönliches Schicksal, in dem Ausgrenzung und Hänseleien zum Lebensalltag gehören. Denn obwohl wir immer dicker werden, ist das Dicksein nach wie vor gesellschaftlich verpönt. Stigmatisierung und psychosoziale Benachteiligung sind neben den gesundheitlichen Beeinträchtigungen weitere Lasten, die übergewichtige und adipöse Kinder tragen.
Wie überall gibt es neben den schlechten Nachrichten auch gute. Die schlechte Nachricht: Ungesunde Ernährungsgewohnheiten sind gelernt. Die gute: Auch gesunde Ernährungsweise kann gelernt werden — man muss sie eben nur lehren. Hier kann und muss Ernährungsberatung und Ernährungserziehung ansetzen: Im Kindergarten, in der Vorschule, in der Schule. Nicht mit dem Zeigefinger und lustfeindlicher Entsagungsmentalität, sondern mit kindgerechter Aufklärung und einem begleitenden Bewegungsprogrammen.
Fazit: Vorschulische und schulische Ernährungserziehung ist in jedem Fall eine spannende und lohnende Aufgabe für Ernährungsberater/innen.
Mehr über Adipositas finden Sie auf www.adipositas-gesellschaft.de
2. Mangelernährung in der Überflussgesellschaft?
Noch nie war das Angebot an Nahrungsmitteln größer, vielfältiger, reichhaltiger. Wir können heute gut und gerne zwischen 300 Käsesorten wählen. Getreide, Obst und frisches Gemüse sind ganzjährig erhältlich. An Vielfalt herrscht kein Mangel. Doch immer weniger Menschen wissen, wie man aus frischen Zutaten eine Mahlzeit kocht oder zubereitet. Viele haben — eingespannt in das Zeitkorsett ihres Berufsalltags — nicht die Zeit dazu. Oder sie scheuen ganz einfach die Mühe.
Der Kochlöffel wird zwar fast allabendlich in TV-Kochshows geschwungen, kaum aber noch am heimischen Herd. Der Trend geht zum schnellen Gericht. So wundert es nicht, dass auch das überwunden geglaubte Phänomen der Mangelernährung wieder ein Thema ist.
In der öffentlichen Diskussion spielt Mangelernährung im Gegensatz zur Diskussion um Fettleibigkeit noch kaum eine Rolle. Das mag mit daran liegen, dass man Mangelernährung eher mit den Hungersnöten in der „Dritten Welt“ verbindet. Auch deckt sich das Bild eines mangelernährten Menschens in unserer Überflussgesellschaft so gar nicht mit unseren Bildern im Kopf, die wir von ausgemergelten, abgemagerten Menschen haben.
Gleichwohl zeigt der Ernährungsbericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) von 2004, dass trotz quantitativer Überversorgung nicht alle Menschen in Deutschland optimal mit Nährstoffen wie Vitaminen und Mineralstoffen versorgt sind.
Auch der jüngste Ernährungsbericht der DGE von 2008 bestätigt: Während Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Übergewicht kämpfen, sind ca. 60% der Bewohner von Altenheimen mangelernährt: „Die mit zunehmendem Alter vermehrt auftretenden altersassoziierten Veränderungen im Stoffwechsel und im Energie- und Nährstoffbedarf beeinflussen maßgeblich das Ernährungsverhalten bzw. den Ernährungs- und Gesundheitsstatus, zusammen mit körperlichen Behinderungen, geistigen Beeinträchtigungen bzw. Krankheiten. Es konnte gezeigt werden, dass der Grad der Pflegebedürftigkeit die Energie- und Nährstoffversorgung wesentlich stärker beeinflusst als das Lebensalter. Dabei wird es mit zunehmendem Pflegegrad immer schwieriger, eine ausreichende Energieversorgung zu erreichen.“ Eine Zusammenfassung der Ergebnisse des aktuellen Ernährungsberichts der DGE finden Sie hier: www.dge.de
Auch die Ergebnisse einer gesundheitsökonomischen Studie an Krankenhauspatienten, die die Münchner Beratungsgesellschaft Cepton präsentierte, sprechen eine eindeutige Sprache. Danach gibt es medizinische Bereiche, in denen die Mangelernährung eher die Regel als die Ausnahme ist. Nach Dr. Klaus W. Uedelhofen, dem Leiter der Studie, zeigen 75% der Krebspatienten schon zum Zeitpunkt der Erstdiagnose Zeichen einer Mangelernährung — abhängig von Tumorart, -lokalisation und -stadium. Auch in der Geriatrie und der Abdominalchirurgie sei Mangelernährung weit verbreitet.
Da die Ernährung ein Bereich sei, den die Patienten aktiv beeinflussen können, sei hier Aufklärung dringend erforderlich. Hierzu benötigten die Patienten Hilfe von „Ärzten und Ernährungsberatern, die gemeinsam mit ihnen Ernährungspläne aufstellen und von Politikern und Kostenträgern, die sich aktiv für ein flankierendes Ernährungsmanagement einsetzen“.
Quelle: www.cepton.de, zitiert nach der Pressemitteilung vom 21.07.2007
3. Die neuen Ess-Klassen: zwischen Bio und billig
Bio boomt. Auf der einen Seite legen immer mehr Menschen Wert darauf, sich gesund und „ethisch korrekt“ zu ernähren — auf der anderen Seite können sich immer mehr Menschen gesunde Lebensmittel nicht leisten. Ein Hartz-IV-Budget macht vielleicht gerade mal satt, aber nicht gesund. Zum (gesund) Leben zu wenig?
Falsche Ernährungsweise scheint nicht allein ein Problem mangelnder Aufklärung zu sein, sondern auch ein Ergebnis akuten Geldmangels. In keinem Industrieland ist die Kinderarmut größer als in Deutschland. Die fortschreitende Polarisierung zwischen Reich und Arm spiegelt sich auch in der Ernährungslage der Nation. Schon lange ist es kein Geheimnis mehr, dass Gesundheit und Lebenserwartung direkt mit gesellschaftlichem Status, Verdienst und Bildung korrelieren. Im Klartext: Armut gefährdet Ihre Gesundheit. Sie macht dick, dumm, krank und führt zu einem früheren Tod.
Einem Bericht im Hamburger Abendblatt zu Folge ist in den sozial schwachen Stadtteilen Hamburgs der Prozentsatz übergewichtiger Kinder (noch) höher als in den besser gestellten Wohnvierteln. Hier sieht die Hamburgische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung den größten Handlungsbedarf. Es sei zu beobachten, dass gerade Kinder aus ärmeren Elternhäusern sich ungesund ernähren. Solange Pommes, Pizza und Fertiggerichte deutlich billiger seien als Obst und Gemüse, sei dies Problem nicht zu lösen. Dazu komme, dass Eltern Essen für ihre private Angelegenheit hielten und sich nur ungern beraten ließen.
Gerade hier wird Ernährungsberatung dringend gebraucht. Sie wird aber nur etwas ausrichten können, wenn sie in ein sozialpolitisches Gesamtkonzept eingebunden ist, dass die Lebensverhältnisse der Betroffenen insgesamt verbessert.
4. Die große allgemeine Verunsicherung
Die meisten Menschen wollen sich gesund ernähren. Sie wissen nur nicht wie.
Denn bezüglich gesunder Ernährung herrscht große Verunsicherung. Alle paar Wochen erschüttert ein neuer Lebensmittelskandal das Land. Was heute noch mit Appetit verzehrt wird, kann morgen schon krank machen. Der gesunde Glaube an unsere Lebensmittel wird durch Lebensmittelskandale in rascher Abfolge immer wieder erschüttert: BSE durchs Rind, Gammelfleisch im Döner, Dioxin im Ei, Gift im Gemüse, Nitrat im Salat.
Was, bitteschön, kann man denn überhaupt noch guten Gewissens essen?
Das ist die Frage, die sich nach jedem neu aufgedeckten Lebensmittelskandal stellt. Ob Lebensmittelskandale häufiger als früher vorkommen, sei dahingestellt. Dank eines relativ gut funktionierenden Verbraucherschutzes und einer investigationsfreudigen Presse sind wir immerhin bestens über die neuesten Schweinereien im Bilde. Wir wissen viel — und gerade deshalb steigt auch die Verunsicherung.
Auch die zahlreichen Ernährungs- und Diätratgeber überfordern den Gut- und Diätwilligen. Ist der Vorsatz zur gesunden Lebensweise und Gewichtreduktion erst einmal gefasst, geht er im Dickicht der Diät-Ratgeber bald wieder verloren. Denn erst einmal gilt es, sich zwischen rund 300 Diäten für die richtige zu entscheiden .
Ullrich Fichtner, Autor der Spiegel-Kolummne „Fichtners Tellergericht“, beschreibt seine Erfahrungen mit Diät-Ratgebern folgendermaßen: „Ich bin komplett verwirrt. Es gibt Diäten, die setzen auf fettreiche Kost, auf Sahne, auf Öle, auf Eier und Butter, auf dem Speisezettel stehen fetter Käse und Speck, Brot ist verboten, auch Nudeln und Reis. Es gibt Diäten, die schreiben umgekehrt nur Reis vor, oder nur Kartoffeln, oder nur Brot. Es gibt Diäten, die fast nur aus Eiern bestehen, während andere Eier ganz verbieten, man soll Roggen meiden oder alles aus Weizen oder alles Gekochte oder alles Rohe – es ist ein Wahnsinn und vermutlich wäre es am besten, das Essen ganz einzustellen .“ (Zitat: Fichtners Tellergericht vom 23.11.2007: „Wie man sich dünne macht“, www.spiegel-online.de)
Ein weites Feld also und höchste Zeit für unaufgeregte Aufklärung und eine undogmatische Ernährungsberatung.
Ernährungsberater/innen braucht das Land! Die Zahlen belegen es: Deutschland ist zu dick. Dabei wollen die meisten Menschen sich gut und richtig ernähren – sie wissen nur nicht wie. Unaufgeregte Aufklärung und Ernährungswissen sind gefragt.
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