Wirtschaftstheorie – Bunt ist die Theorie!
Zur Beschreibung und Systematisierung wirtschaftlicher Zusammenhänge in der Wirklichkeit ist die Wissenschaft darauf angewiesen, theoretische Modelle zu bilden, nach denen die Wirklichkeit dann theoretisch funktionieren sollte. Da das nur sehr begrenzt der Fall ist, gibt es immer wieder Diskussions- und Verbesserungsbedarf zu jeder Theorie. Dieser Neuerungsbedarf schlägt sich nieder auf den großen Spielwiesen der Wirtschaftstheoretiker:
Mikroökonomie
Gegenstand der Mikroökonomie ist das wirtschaftliche Verhalten von Haushalten und Unternehmen und die Verteilung der knappen Ressourcen und Güter durch den Marktmechanismus.
Die Haushaltstheorie befasst sich mit der Nachfrageseite auf dem Gütermarkt. Untersuchungsgegenstand ist dabei der Nutzen, den der Nachfrager hat. Eine Rolle spielen dabei viele Faktoren, die Präferenzen des Nachfragers oder Substitutionsverhalten beschreiben.
Die Produktionstheorie beschäftigt sich demgegenüber mit der Angebotsseite, mit dem Verhältnis von Input- und Outputfaktoren.
Schließlich hat die Preistheorie als Gegenstand die Preisbildung. Sie ist das Ergebnis von Nachfrage, die auf Angebot trifft oder umgekehrt. Untersucht werden dabei unterschiedliche Wettbewerbsformen die Bedingungen, unter denen ein Marktgleichgewicht erreicht und stabilisiert wird.
In allen drei Haupttheorien gehen die neoklassischen Mikroökonomen vom „homo oeconomicus“ aus, der immer Nutzenmaximierung betreibt und rational handelt. In neueren Ansätzen werden die klassischen Modelle aber schon in die Richtung verfeinert, dass Phänomene wie asymmetrische Information oder begrenzte Rationalität einbezogen werden.
Makroökonomie
Im Gegensatz zur Mikroökonomie stehen im Zentrum makroökonomischer Betrachtungen nicht einzelne Marktteilnehmer oder Gruppen, sondern zusammengefasste (aggregierte) Größen. So werden zum Beispiel Änderungen des Gesamteinkommens, des Beschäftigungsrades oder der Inflation betrachtet. Die Makroökonomie versucht, Gesetzmäßigkeiten in diesen Änderungen zu entdecken und die Wirkung von Steuerungsinstrumenten zu ermitteln. Dabei wird die komplexe Wirklichkeit auf eine überschaubare Anzahl wesentlicher Zusammenhänge vereinfacht. Es werden in der Regel vier Märkte definiert und betrachtet:
- der gesamtwirtschaftliche Gütermarkt (das Inlandsprodukt, aufgeteilt in privaten Konsum, Staatskonsum, Investitionen, Importe und Exporte)
- der gesamtwirtschaftliche Finanzmarkt (die Geldnachfrage und das Geldangebot, Gläubiger und Schuldner, Geldmarkt (kurzfristig), Kreditmarkt (mittelfristig) und Kapitalmarkt (langfristig))
- der gesamtwirtschaftliche Arbeitsmarkt (das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage des Produktionsfaktors Arbeit)
- der gesamtwirtschaftliche Wertpapiermarkt (die Sparneigung abhängig vom Zins, Geldvermögen und Wertpapiervermögen der Haushalte und Unternehmen)
- Die makroökonomischen Märkte werden kurzfristig betrachtet (Wirtschaftskreislauf und Gleichgewichtstheorie), mittelfristig (Preisflexibilität, Lohnschwankungen) oder langfristig (Flexibilität der Preise und Produktionsfaktoren – Konjunkturbetrachtung mit Aufschwung, Boom, Rezession und Depression)
Stagflation
Gebildet aus Stagnation und Inflation. Stagflation kennzeichnet eine Situation, in der die Wirtschaft nicht wächst und gleichzeitig Inflation und Unterbeschäftigung vorhanden sind. Als Hauptursache dafür wird gesehen, dass Verteilungsansprüche und Inlandsprodukt völlig aus dem Gleichgewicht geraten.
Ökonometrie
In der Ökonometrie werden ökonomische Theorie, mathematische Methoden und statistische Daten zusammengeführt. Damit sollen wirtschaftstheoretische Modelle an der Wirklichkeit überprüft und ökonomische Phänomene quantitativ analysiert werden. Ökonometrische Modelle bestehen aus Schätzgleichungen mit Variablen beiderseits des Gleichheitszeichen und Definitionsgleichungen, die der Grundlagenklärung dienen. Variablen liegen Testhypothesen zugrunde, Häufigkeit, Wahrscheinlichkeits- und Zufallsfaktoren finden Eingang in die Rechnung. Die Modelle erreichen teilweise einen Grad der Komplexität, dass klassische Makroökonomen nur feststellen: Das hätte man auch einfacher erklären können!
Experimentelle Ökonomik
Anliegen dieses Zweiges der Wirtschaftsforschung ist es, ökonomische Theorien experimentell zu bewerten. Dies geschieht in der Regel in Computerlaboren, in denen jeder Teilnehmer („Proband“) unter kontrollierten äußeren Bedingungen mit Hilfe des Computers Entscheidungen treffen muss. So werden zum Beispiel auch psychologische Grundlagen individuellen Handelns bei wirtschaftlichen Entscheidungen überprüft, etwa bei Börsenentscheidungen.
Bedeutende Labore zur Durchführung ökonomischer Experimente sind im deutschsprachigen Raum an den Universitäten Zürich, Mannheim, Magdeburg, Köln, Erfurt und Bonn, sowie am Max-Planck-Institut für Ökonomik in Jena.
Evolutionsökonomik
Dieser Wissenschaftszweig rekonstruiert Wirtschaftsprozesse analog zur biologischen Evolution: Es existiert für keinen Markt und damit auch für kein Unternehmen ein anzustrebender Gleichgewichtszustand. Ein permanenter Wettbewerb zwischen Produkten, Dienstleistungen, Unternehmensformen und Wirtschaftssystemen sorgt dafür, dass nur die Wettbewerbsteilnehmer weiter bestehen können, die den jeweiligen Umweltanforderungen entsprechen und sich an die laufend wechselnden Wettbewerbsbedingungen anpassen.
Der evolutionsökonomische Ansatz negiert das in der Neoklassik verwendete Modell des Homo oeconomicus als rationaler Entscheider, der über alle Informationen verfügt und immer die für ihn beste Lösung anstrebt. Der Evolutionstheoretiker geht von Informationsungleichheit und unterschiedlichem Bestand an Ressourcen bei den wirtschaftlich handelnden Individuen aus. Es gibt für ihn keine beste Lösung, sondern wie auch in der biologischen Evolution eine ganze Reihe zielführender Wege.
Spieltheorie
Die Spieltheorie ist eigentlich ein Teilgebiet der Mathematik, um Systeme mit mehreren Akteuren zu analysieren, deren Interaktionen denen in Gesellschaftsspielen ähneln. Die Spieltheorie versucht dabei, das rationale Entscheidungsverhalten in sozialen Konfliktsituationen abzuleiten.
Sie geht von extremer Rationalität aus, ist keine zusammenhängende Theorie, sondern eher ein Setzkasten voller Analyseinstrumente. Nach ihren Methoden wurden zum Beispiel Schachcomputer entwickelt.
Seit 1970 hat sich die Spieltheorie als beherrschende Methodik in den Wirtschaftswissenschaften sowie mehr und mehr auch in den sozialwissenschaftlichen Nachbardisziplinen durchgesetzt. Die Bedeutung der Spieltheorie kann man daran ermessen, dass für spieltheoretische Arbeiten bisher acht Wirtschaftsnobelpreise vergeben wurden: 1994 an John Forbes Nash Jr., John Harsanyi und Reinhard Selten, 1996 an William Vickrey und 2005 an Robert Aumann und Thomas Schelling. Für ihre Erforschung begrenzter Rationalität erhielten Herbert Simon 1978 und Daniel Kahneman 2002 den Nobelpreis. Auch die Nobelpreise an Leonid Hurwicz, Eric S. Maskin und Roger B. Myerson im Jahr 2007 für ihre Forschung auf dem Gebiet der Mechanismus-Design-Theorie stehen in engem Zusammenhang zu spieltheoretischen Fragestellungen.
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